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GSC Interview mit Prof. Rudolf Zechner

Professor of Biochemistry at the Institute of Molecular Biosciences at the University of Graz // Director BioTechMed-Graz

Univ. Prof. Dr. Rudolf Zechner


Interview am 17.02. 2016

Lieber Prof. Zechner, Sie waren von 1985 bis 1987 an der Rockefeller University in New York. Wenn Sie sich zurück erinnern: Wie war Graz zu dieser Zeit?

Zechner: Graz war immer eine Peripheriestadt mit beschränkten Möglichkeiten, Forschung auf höchstem internationalem Niveau zu betreiben. Trotzdem, die Situation hat sich seit den Siebziger- und Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts stark verbessert. In der Nachkriegszeit gab es bezüglich der Internationalität der Forschung starke Defizite. Erst aus meiner Vorgängergeneration sind dann in den Sechzigerjahren die ersten Kollegen in die USA gegangen, um dort den modernen Wissenschaftsbetrieb kennenzulernen. Natürlich gab es auch damals Ausnahmen wie den Physikochemiker Otto Kratky, der schon in der Nachkriegszeit erstklassige Forschung betrieb. Die Kratky-Methode der Dichtemessung oder die von ihm entwickelte Röntgen-Kleinwinkelkamera waren übrigens auch jene wissenschaftlich-analytischen Instrumente, die eine wichtige Basis für den Erfolg des Grazer Messgeräteunternehmens Anton Paar bildeten.

Die Überzeugung, dass für die Finanzierung universitärer Forschung und Lehre der Bund zuständig ist, haben die Stadt Graz und das Land Steiermark zu sehr aus der Verantwortung genommen und wichtige Entwicklungen verhindert. Umso mehr freut es mich, heute erstmals mit Vertretern der Stadt Graz ein Gespräch über die Zukunft der Forschung in dieser Stadt führen zu können. Wie erfolgreich eine Kooperation zwischen Bund, Land und Gemeinde sein kann, zeigen Wien und Niederösterreich. Obwohl Wien in den Biowissenschaften zu Beginn der Achtzigerjahre nicht viel besser aufgestellt war  als Graz,  ist der Abstand heute extrem groß. Vielleicht auch deshalb, weil Bürgermeister Häupl Biologe ist und verstanden hat, dass Stadt und Land entsprechende, auch finanzielle,Angebote machen müssen, um den Bund zu Infrastrukturinvestitionen zu bewegen. Das Resultat lässt sich in Form einer Reihe von biomedizinischen Forschungszentren wie IMP, IMBA, ISTA, GMI, CEMM, Vienna Biocenter etc. ablesen; Zentren, von denen Graz nur träumen kann.

Nun gibt es in Graz seit zwei Jahren die universitätsübergreifende Forschungskooperation BioTechMed...       

Zechner: Es muss uns gelingen, die vorhandenen Stärken im Bereich Biomedizin am Standort zu bündeln und in den nächsten Jahren noch mehr in diesen Sektor zu investieren. BioTechMed-Graz ist eine universitätsübergreifende Initiative, die hier die ersten Schritte setzen will und auch rund 6 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung hat, um entsprechende Akzente setzen zu können. Wenn wir nicht versuchen, durch Bündelung und Investitionen die Grundlagenforschung im Bereich Biomedizin massiv zu stärken, wird der Standort Graz den Anschluss zur internationaler Szene endgültig verlieren. Die Gründung des steirischen Humantechnologie-Clusters war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber jetzt sind noch weitere Investitionen auch in den Bereich der erkenntnisorientierten Basisforschung notwendig, um den Standort nicht zuletzt für Unternehmen attraktiv zu machen.                        

Sehen Sie auch Unternehmen am Standort, die stärker in den biomedizinischen und biotechnologischen Bereich investieren sollten und könnten?  

Zechner: Nach dem Abgang von Roche Diagnostics scheint sich AVL wieder stärker in diesem Bereich zu engagieren. Fresenius ist ebenfalls ein wichtiger lokaler Player und daneben gibt es noch eine Reihe spezialisierter kleinerer Unternehmen.

Auch in Wien gab es in den Achtzigerjahren nur wenige größere Unternehmen im Biotech-/Pharma-Sektor. Aber seit der Gründung des IMP, des Instituts für molekulare Pathologie, im Jahr 1988 gab es die erste Ausgründung mit Intercell bereits 1997. Bis heute gingen über 40 weitere Ausgründungen an den Start. Dass Boehringer Ingelheim aktuell wieder 500 Millionen Euro in die Hand nimmt, um den Produktionsstandort Wien auszubauen, zeigt, wie relativ kurzfristig sich Investitionen in den Bio-/Pharma-Bereich rechnen können. Nach beinahe 20 Jahren kann man in Wien von einem echten Erfolgsmodell sprechen. Offenbar braucht es nur das politische und finanzielle Commitment, um wirklich erfolgreich zu sein. In der Steiermark hat es dieses Commitment im Automobilsektor gegeben. Und der Erfolg hat sich auch hier in vielfältiger Weise eingestellt. Jetzt brauchen wir dieses Commitment von Stadt und Land für die Entwicklung der Biotechnologie in Graz, nicht zuletzt, um entsprechende Bundesmittel zu lukrieren.              

In welchen Bereichen genau sind wir aus Ihrer Sicht international konkurrenzfähig?

Zechner: Im Bereich der Stoffwechsel- und Alternsforschung und der dazugehörigen Erkrankungen wie Obesitas, Diabetes und bei kardiovaskulären Erkrankungen ganz sicher. In diesen Bereichen gibt es eine hohe Kompetenz in Graz, die auch in dieser Konzentration in Österreich einmalig ist. Diese Stärken gilt es zu bündeln und auszubauen.               

Auch über BioTechMed konnten zusätzliche Bundesmittel lukriert werden. Welche Aktivitäten sind in diesem Rahmen geplant?

Zechner: Im Rahmen von BioTechMed-Graz wollen wir durch organisatorische Maßnahmen die universitätsübergreifende Zusammenarbeit weiter fördern und jene Bereiche identifizieren und unterstützen, die hohe internationale Sichtbarkeit erzielen können. Unser Ziel ist es, dass universitätsübergreifende und internationale Netzwerkprojekte wie Spezialforschungsbereiche, so genannte SFBs, oder größere EU-Projekte eingeworben werden können. BioTechMed wird drei Millionen Euro in solch projektspezifische interuniversitäre Zusammenarbeitsprojekte investieren.

Die biowissenschaftliche Grundlagenforschung benötigt zwei Standbeine: Das eine ist die Infrastruktur an Gebäuden, Labors, und so genannten „Core Facilities", und das andere ist die massive Drittmittelunterstützung durch FWF, FFG, EU-Programme und ähnliche Organisationen der kompetitiven Forschungsförderung. Die Infrastruktur, also die „Hardware", muss die Politik bereitstellen, während die Software, also die eigentlichen Forschungsprojekte mit den dazugehörigen Personal- und Sachmittelkosten, durch die ForscherInnen einzuwerben sind.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Grazer Universitäten im internationalen Vergleich sehr klein sind. Eine enge Bündelung der Kräfte ist also unbedingt notwendig, um eine entsprechend große „kritische Masse" zu erzeugen, die international kompetitiv sein kann. Wahrscheinlich sollte es an einem Standort wie Graz eigentlich nur eine einzige Universität geben. BioTechMed ist ein Versuch, die Dinge so zusammenzuführen, dass Graz als wichtiger Standort der Stoffwechsel- und Alternsforschung international wahrgenommen wird.       

Bei all dem stellt sich natürlich die Frage, warum Sie wieder nach Graz zurückgekommen und später nie einem Ruf ins Ausland gefolgt sind?

Zechner: Der Standort hat natürlich auch Vorteile. Ich selbst hatte durch ausreichende Drittmitteleinwerbung immer genug Geld, um Forschung auf internationalem Niveau betreiben zu können. Und die Lebensqualität in dieser Stadt ist großartig. Jeder, der einmal hierhergekommen ist, bleibt auch gerne hier. Ich kann diesbezüglich nur Professor Kratky, den ehemaligen FWF-Präsidenten zitieren, der einstens die zwei „S" definierte, die für das Bleiben in Graz verantwortlich sind: Sex und/oder Sentimentalität. Entweder hat man eine/ einen Partner/in, die/der sagt: „Ich gehe da nicht mehr weg!", oder die eigenen sentimentalen Lebenserinnerungen lassen einen hierbleiben.           

Merken Sie auch den nationalen Standortwettbewerb?    

Zechner: Natürlich. Wien gibt wie schon angesprochen enorm Gas und hat sicher viele Bereiche, in denen es von der Forschung her stärker ist als Graz. Wir haben wiederum das Alleinstellungsmerkmal Stoffwechselforschung und Altern. Meines Erachtens sollten wir in Graz auch grundlagenforschungsorientierte außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die sich mit diesen Themen befassen, einrichten. Dabei wäre etwa an ein starkes Institut der Akademie der Wissenschaften zu denken.

Wie müsste man die Strukturen aus Ihrer Sicht ändern?

Zechner: Man braucht viel mehr Dynamik als jene, die sich die Universitäten derzeit leisten können; die Finanzierung stagniert. Es gelingt uns auch kaum, neue junge Leute zu bekommen, es fehlt ein „natürlicher Wechsel" und Personal-Dynamik. Wir haben in Österreich keine „Verabschiedungskultur", wenn die Forschungsleistung nicht passt. Wir tun uns einfach schwer in der Qualitätsfeststellung. Grundlagenforschung in den Naturwissenschaften funktioniert im Grunde wie der Sport: Die besten Wissenschaftler sind jene, die wirklich wichtige Erkenntnisse schaffen. In der Kunst ist das ganz ähnlich - nur die wirklich großen Künstler bringen die Kultur eines Landes weiter.

Nun arbeiten Sie in Ihren eigenen Labors mit Forschenden unterschiedlichster Herkunft. Sind solche Kulturunterschiede manchmal ein Problem?   

Zechner: Das ist kein Problem. Natürlich braucht es am Anfang bei Mitarbeitern aus anderen Kulturkreisen eine Eingewöhnungsphase, aber die Anpassung geht sehr schnell.      

Wenn neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Graz kommen, nehmen Sie da auch bürokratische Hürden und Hindernisse wahr?

Zechner: Es gibt natürlich bürokratische Vorgaben, aber das ist überall so. Außerordentliche Hindernisse wären mir diesbezüglich noch nicht aufgefallen. Wir haben auch eine eigene Mitarbeiterin am Institut, die sich um die formalen Angelegenheiten kümmert, und die mit den Beamten und Behörden laufend in Kontakt ist.

Sie haben sich das also selbst organisiert. Kennen Sie auch die zentralen Einrichtungen an den Grazer Universitäten, die solche Dienstleistungen anbieten?

Zechner: Das „Welcome Center" an der TU ist sicher ein gutes Beispiel.  

Und wie sollten Stadt und Land den Biotechnologie-Sektor konkret unterstützen?

Zechner: Geld in die Hand nehmen, gemeinsam zur Bundesregierung nach Wien fahren, dieses Geld dort aufdoppeln lassen und zu bauen beginnen! Ich hoffe auch, dass die Errichtung des „Moduls 2" am Med Campus der Grazer Med Uni erfolgreich über die Bühne geht, denn dort entstehen für den gesamten Standort sehr wichtige Einrichtungen. Zu überlegen wäre auch ein Zusammenschluss der drei Universitäten. Persönlich hielte ich das für einen großen Schritt in die Zukunft.j

Meines Erachtens wäre es auch durchaus überlegenswert, den kürzlich von Minister Mitterlehner angedachten Ideen näherzutreten und jene Fächer, die echte Berufsbefähigungen vermitteln, eher an Fachhochschulen anzubieten. Das könnte die Universitäten entlasten und mehr Raum für Forschung zulassen.             

Man sollte also aus Ihrer Sicht die Aktivitäten an den Universitäten konzentrieren und ein außeruniversitäres Grundlagenforschungs-Zentrum etablieren...

Zechner: Genau, Konzentration auf die Stärken und nicht versuchen, in allen Bereichen mitspielen zu wollen. Die Stärken stärken. Und ja, wir brauchen in den Stärkebereichen zusätzliche, unter Umständen außeruniversitäre, Forschungszentren. Nur ein Ausbau der Stärken am Standort wird die mittelfristige Ausgründung neuer Unternehmen oder die Ansiedelung etablierter Biotech- und Pharma-Unternehmen ermöglichen.    

Vielen Dank für das Gespräch!

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